Hier finden Sie immer wieder amüsante Beiträge, darunter Tipps für Ihren nächsten Ausflug! Viel Vergnügen!

 

Von Guides und Gästen

Der erste Blogeintrag auf dieser Seite beschäftigt sich mit etwas ganz Grundlegendem: dem Sinn und Zweck eines Fremdenführers. 

 

Sommer in Österreich

Uridyllische Landschaften, absurd gutaussehende Paare an einem menschenleeren See, Bergspitzen, die man sich nur mit einem majestätischen Steinbock teilt… Dieser Tage wird man mit österreichischer Tourismuswerbung überflutet.

Jede Region bietet Entspannung und Action, Natur und Kultur, Kinderfreundlichkeit und Weinverkostung (Widersprüche erzeugen Spannung). Unabhängig davon, ob die Gäste aus den Nachbarländern doch noch ihre Ferien in Österreich verbringen, wird heuer mehr als sonst um Urlauber im eigenen Land geworben. Der „Sommer daheim“ steht an – und er kann großartig werden!

Schon von mehreren Seiten habe ich den Satz gehört: Wenn ich schon nicht wegkann, dann bin ich froh, dass ich hier bin. Da ist was dran. Insgesamt haben wir zehn Welterbestätten und sechs Nationalparks, ganz abgesehen von einer unüberblickbaren Zahl denkmalgeschützter Gebäude und malerischer Aussichtspunkte. Von Kulinarik oder Veranstaltungen wage ich gar nicht anzufangen. In wenigen Worten: Es ist alles da um eine schöne Zeit zu verbringen.

Reisen leiten und Fremde führen

Wie kommen nun also die Fremdenführer und Reiseleiter ins Spiel?

Ganz einfach: Vorhin habe ich die zehn Welterbestätten erwähnt. Können Sie alle aufzählen? Wenn nicht, haben Sie schon einen ersten guten Grund, einen Fremdenführer zu kontaktieren und zehn Touren bei ihm zu buchen (wenn Sie das wirklich tun, buchen Sie bei mir und bekommen Sie die zehnte Tour umsonst. Und ein T-Shirt.) Ich verspreche Ihnen, ein Fremdenführer kann das auch dann noch, wenn Sie ihn mitten in der Nacht aus dem Schlaf reißen. 

Fremdenführer, auch Austriaguides genannt, sind staatlich geprüft. In so gut wie allen Fällen durchlaufen sie einen mehrjährigen Kurs, der ihnen Wissen aus verschiedensten Disziplinen vermittelt, angefangen bei Geschichte bis hin zu Weinkunde und Musikwissenschaften. Der Kurs ist, das darf man sagen, schweineteuer und sauanstrengend und die Prüfung mitunter derart drakonisch, dass etwa die Hälfte der Prüflinge ein zweites Mal antritt. Aber im Nachhinein betrachtet ist das sinnvoll: Jeder Austriaguide ist mit umfangreichem Wissen ausgestattet und Sie können sicher sein, dass jeder, der sich Kurs und Prüfung erfolgreich angetan hat, jemand ist, der diesen Beruf auch wirklich liebt. Und das merkt man. 

Mit dem Gewerbe des Fremdenführers gehen einige rechtlich relevante Dinge einher: Nur Fremdenführer dürfen in Städten zu Fuß führen, also etwa eine Stadtführung durch Wien anbieten. Auch viele Museen, Schlösser und Klöster arbeiten mit Fremdenführern zusammen, sodass sie auch dort (neben hauseigenen Führern) führen dürfen. 

Neben den Fremdenführern gibt es noch Reiseleiter: Diese dürfen im Bus Erklärungen abgeben (also bei einer Rundfahrt entlang des Wiener Rings zum Beispiel), aber sobald sie den Bus verlassen, müssen sie sich auf Hinweise beschränken. Reiseleiter haben ein freies Gewerbe, also keine Prüfung. Auch eine Ausbildung ist nicht erforderlich (aber empfehlenswert). Ihre Aufgaben sind andere als die des Fremdenführers, sie betreuen die Gäste oft für mehrere Tage, von früh bis spät, schlichten Konflikte, informieren auf längeren Fahrten, sind Entertainer und Psychologen (und mitunter Kindergärtner für Erwachsene). Da die beiden Gewerbe eng verwandt sind, sind viele Fremdenführer auch Reiseleiter. Reiseleiter können im Ausland Gruppen betreuen, etwa auf Rundreisen. Ihre Arbeit ist enorm wichtig und verlangt neben Ortskenntnis auch viel zwischenmenschliches Feingefühl. 

Die strenge Trennung von Fremdenführer und Reiseleiter ist in Skandinavien, Großbritannien, aber auch in Deutschland beispielsweise nicht gegeben, was dazu führt, dass jeder, der sich dazu berufen fühlt, überall führen kann. Es gibt fantastische Guides in diesen Ländern, es gibt aber auch furchtbare. Ich erinnere mich etwa, als ich als Reiseleiter eine Gruppe nach Görlitz begleitet habe, wo uns ein nuschelnder Stadtführer ausschließlich von den barocken Reizen der weiblichen Einwohner erzählen wollte, oder an eine pensionierte Lehrerin in Budapest, die zu jedem dritten Haus meinte, dass es sehr schön und alt sei, weiter reichte ihr Wissen (und die Sprachkenntnis) aber nicht. 

Sie merken schon, ich bin zutiefst von der österreichischen Lösung überzeugt. Austriaguides, und darauf können Sie sich verlassen, vermitteln Ihnen mit Freude und Elan das, was Sie interessiert und auf eine Weise, die über das Aufzählen von Jahreszahlen weit hinausgeht.


Unser Image ist durchaus verbesserungswürdig: Wir werden gerne als alte Damen präsentiert, die mit oberlehrerhaftem Getue Fakten rattern, oder aber als schirmschwingende Schäfer asiatischer Selfie-Stick-Scharen (oh, wie schön ist die deutsche Sprache!). Ganz schlimm finde ich auch den überall lesbaren Slogan, wir bieten „Geschichten und G’schichtln“ an. Das stellt uns in die Ecke der „Gschichtldrucker“ gepaart mit trockenen Historikern. Das alles sind wir nicht (oder sollten wir nicht sein). Aber das ist nur meine persönliche Meinung. Buchen Sie einen Austriaguide und machen Sie sich selbst ein Bild. 

Auch in unserem Beruf gibt es Pfuscher, also ungeprüfte Möchtegern-Guides, die für eine Mahlzeit und Trinkgeld Führungen anbieten und das mitunter sogar gefördert durch die jeweilige Stadt. Damit erweisen sich die Städte aber in der Regel einen Bärendienst: Der Eindruck, den Besucher bekommen, die eine Stadt zum ersten Mal im Rahmen einer Führung sehen, wird ganz stark geprägt von dem Auftreten des Guides. Daraus folgt: schlechter Guide = schlechtes Image für die Stadt. Nicht unberechtigt bezeichnen sich Fremdenführer deshalb gerne als Botschafter des Landes.  

Was bringt Ihnen ein Fremdenführer?

Nun aber zu Ihnen, liebe fiktive ideale Leser: Nehmen wir an, Sie sind aus Österreich oder haben das Land schon öfter besucht, sie gehen auch gerne ins Museum, spazieren durch die Stadt und kennen sich ganz gut mit Geschichte aus. Klimt sagt Ihnen etwas, Mahler ordnen Sie zurecht der Musikgeschichte zu und dass 2020 das Beethoven-Jahr ist, wissen Sie auch. Sie kannten sogar alle zehn Welterbestätten. Wozu sollten Sie also einen Fremdenführer brauchen?

Dazu ein kleines Beispiel: Neulich durfte ich eine kleine Gruppe durch die Innenstadt Wiens führen, abseits von Hofburg und Stephansdom. Zwei der Gäste kamen aus Wien und kannten die Stadt ausgezeichnet. Aber nie sind sie in diese eine wunderschöne Kirche mit der unscheinbaren Fassade gegangen, die Innen das herrlichste Barockensemble der Stadt bietet, mit einer irrwitzigen Scheinarchitektur an der Decke und grün gewundenen Stuckmarmorsäulen. Hundert Meter weiter zeigte ich ihnen eine freigelegte Darstellung eines Tieres mit frappierend witzigen Details aus dem 16. Jahrhundert, an der sie schon Dutzende Male vorbei gegangen waren, die sie aber nie gesehen hatten. Frei nach dem Motto: Man sieht nur, was man weiß, wird man bei einer Führung auf die Details aufmerksam gemacht, die einem sonst entgehen würden. Wenn Sie die Kirche übrigens anhand der Erzählung erkannt haben, gratuliere ich Ihnen. Wenn nicht, buchen Sie noch heute eine Tour mit mir und ich zeige sie Ihnen gerne! 

Was ich Ihnen mit diesen paar Worten sagen möchte: Sie müssen kein Kunstexperte sein und schon gar kein Historiker. Sie müssen sich auch nicht durch die tausend-seitigen Schmöker durcharbeiten, die eifrige Autoren über Franz Joseph, den 2. Weltkrieg oder Klimts Frauen verfasst haben (und nur von Fremdenführern wirklich gelesen werden). Wenn Sie einfach ein bisschen mehr erfahren wollen, und das auf unterhaltsame und kurzweilige Art, anhand von real fassbaren Orten unsere Geschichte besser verstehen möchten, dann, meine lieb gewordenen fiktiven idealen Leser, buchen Sie einen Fremdenführer. 

Nutzen Sie die Zeit für eine Führung. Gerade in Wien gibt es ein riesiges Angebot an Spezialführungen. Besuchen Sie ein Museum mit einem Guide. Aber vor allem: Geben Sie den weniger gerühmten Orten eine Chance, Sie zu begeistern. Besuchen Sie St. Pölten und gehen Sie mit mir eine Stunde durch das Zentrum. Ich verspreche, Sie werden die Stadt mit ganz anderen Augen sehen. Denn hier zeigt sich die wahre Kunst der Fremdenführer: abseits von Klischees Begeisterung zu vermitteln.

(TH, 9.6.2020)